Der Zeitpunkt des „Brexit“ wurde erneut verschoben – es ist somit immer noch unklar, ob der Austritt Großbritanniens aus der EU in geregelten Bahnen verlaufen wird oder ein sogenannter „No Deal“-Brexit erfolgt.
Vor diesem Hintergrund haben wir für Sie eine Übersicht über die Folgen eines „No Deal“-Szenarios für Ihre EU-Schutzrechte zusammengestellt (Stand 12. April 2019).
Die wichtigsten Botschaften sind:
Weitere Details entnehmen Sie bitte dem folgenden Text.
Bei Rückfragen wenden Sie sich gerne an Ihren vertrauten Ansprechpartner bei Eisenführ Speiser.
Das Vereinigte Königreich soll die Europäische Union nun spätestens am 31. Oktober 2019 („Brexit-Tag“) verlassen (oder früher, wenn das Austrittsabkommen doch noch vom britischen Parlament ratifiziert wird). Auf der Ebene der Verhandlungsführer wurde ein Austrittsabkommen vereinbart, das noch der Ratifizierung auf politischer Ebene bedarf. Würde das Vereinigte Königreich die EU zu Bedingungen verlassen, die mit diesem Abkommen identisch oder im Wesentlichen ähnlich sind, dann würde in einer so genannten Übergangszeit, die am 31. Dezember 2020 endet, der derzeitige Status quo effektiv beibehalten. Das britische Parlament hat sich jedoch kürzlich mit deutlichem Abstand geweigert, dieses Abkommen in seiner jetzigen Form zu ratifizieren, und ohne alternative Regelungen bleibt die Gefahr bestehen, dass es zu einem „No Deal“-Brexit kommt.
Ein „No-Deal“-Brexit hat erhebliche Auswirkungen auf den weiteren Schutz und die Durchsetzung von EU-Marken und Gemeinschafts
geschmacksIm Folgenden erläutern wir unter I. die Pläne der britischen Regierung und unter II. die der EU-Kommission bei einem „No Deal“. Unter III. folgen unsere detaillierten Empfehlungen zum Umgang mit einem solchen Szenario insbesondere in Bezug auf Marken- und Designrechte.
I. Entwurf eines Austrittsabkommens
Die britische Regierung hat nun einen Entwurf eines Abkommens über die Einzelheiten des Austritts aus der Europäischen Union nach Art. 50 TEUV veröffentlicht („Austrittsabkommen“). Das Austrittsabkommen regelt eine Übergangsfrist, die am 31. Dezember 2020 endet („Übergangsfrist“).
Während der Übergangsfrist gilt – nach den Vorschlägen der britischen Regierung – folgendes:
Demgegenüber entfällt in einem „No Deal“-Szenario die Fortgeltung des EU-Rechts.
Die Regelungen des Austrittsabkommens sehen Folgendes vor:
1. „Registrierte EU-Rechte“:
2. Opt-out-Option: Inhaber registrierter EU-Rechte können sich nach Ankündigung eines „Opt-out“ aber dafür entscheiden, auf das entsprechende eingetragene britische Recht zu verzichten.
3. Anhängige Anmeldungen: Wenn am Brexit-Tag eine Anmeldung für eine EU-Marke, eine internationale Marke (EU), ein Gemeinschafts
geschmacks muster oder ein internationales Design (EU) anhängig ist (oder die Veröffentlichung eines Gemein schafts geschmacks4. Verlängerungen, Priorität und Zeitrang: Entsprechende eingetragene britische Rechte werden so behandelt, dass sie die gleichen Verlängerungsdaten und Prioritäten (und bei Marken Senioritäten) haben wie die eingetragenen EU-Rechte, aus denen sie sich ableiten.
5. Nicht eingetragene Gemeinschafts
geschmacks muster, die am Brexit-Tag bestehen, sind im Vereinigten Königreich für den Rest ihrer Laufzeit weiterhin geschützt und durchsetzbar und werden als „weitere nicht eingetragene Gemein schafts geschmacks6. Vertretung: Bestehende Vertreter registrierter EU-Rechte werden in der Lage sein, ihre Tätigkeit als Vertreter für entsprechende registrierte britische Rechte vor dem UKIPO fortzusetzen.
7. Eine Lizenz eines eingetragenen EU-Rechts für das Gebiet des Vereinigten Königreichs gilt in Bezug auf das entsprechende registrierte britische Recht zu den gleichen Bedingungen, jedoch vorbehaltlich der für ihre Anwendung im Vereinigten Königreich erforderlichen Änderungen.
8. Die Nutzung der betreffenden Marke in der EU vor dem Brexit-Tag gilt als Benutzung der vergleichbaren Marke für Zwecke des Widerspruchs, der Verletzung, des Verfalls und des Nichtigkeitsverfahrens des Vereinigten Königreichs, das diese Marke betrifft.
9. Die Bekanntheit der betreffenden Marke in der EU vor dem Brexit-Tag wird gegebenenfalls bei Einspruchs- und Verletzungsklagen im Vereinigten Königreich auf der Grundlage einer vergleichbaren Marke berücksichtigt.
10. Anhängige Verfahren: Wenn am Brexit-Tag ein eingetragenes EU-Recht oder ein nicht eingetragenes Gemeinschafts
geschmacks muster Gegenstand von Verfahren ist, die vor einem britischen Gericht anhängig sind, das als EU-Markengericht oder Gemein schafts geschmacks musterII. No Deal – Der Standpunkt der EU
Die derzeit relevanteste EU-Mitteilung über die Auswirkungen des Brexit auf geistige Eigentumsrechte – ohne Vereinbarung eines Austrittsabkommens („No Deal“) – ist ein Briefing des EU-Intellectual Property Office (EUIPO) vom 18. Januar 2018 mit dem Titel „Impact of the United Kingdom’s withdrawal from the European Union on the European Union trade mark and the Community design“. Die wichtigsten Punkte, die dabei zu beachten sind:
III. Welche Maßnahmen sollten ergriffen werden, wenn man von einem „No Deal“ Brexit ausgeht?
Unter der Annahme, dass die britischen Verordnungsentwürfe bis zum Brexit-Tag in Kraft treten werden, sollte Folgendes berücksichtigt werden:
Eingetragene Marken und Designs
Abtretungen, Lizenzen und Sicherungsrechte
Es sollte eine Überprüfung aller Abtretungen, Lizenzen und Sicherungsrechte durchgeführt werden, die an registrierten EU-Rechten bestehen oder sich auf diese beziehen, um diese vor dem Brexit-Tag auf entsprechenden registrierten britischen Rechte auszudehnen.
Anmeldungen
Im Falle von anhängigen Anmeldungen zur Eintragung von Marken oder Geschmacksmustern am Brexit-Tag gibt es ein neunmonatiges Fenster nach dem Brexit-Tag, um entsprechende Prioritätsanmeldungen im Vereinigten Königreich einzureichen. Nur wenn der Erhalt eines eingetragenen Schutzes im Vereinigten Königreich besonders eilig ist, sollte die Einreichung einer parallelen Anmeldung im Vereinigten Königreich schon vor dem Brexit-Tag geprüft werden.
Patente und Ergänzende Schutzzertifikate für Arzneimittel und Pflanzenschutzmittel
Vom Europäischen Patentamt erteilte Patente sind keine EU-Schutzrechte. Der Brexit berührt also die Mitgliedschaft Großbritanniens in der Europäischen Patentorganisation nicht, und zwar unabhängig davon, ob es zur Vereinbarung eines Austrittsabkommens kommt. Es reicht also für britische Teile von erteilten Europäischen Patenten weiterhin aus, separat Jahresgebühren an das UKIPO zu entrichten. Demgegenüber basiert die Erteilung von Ergänzenden Schutzzertifikaten für Arzneimittel und Pflanzenschutzmittel, welche die Patentlaufzeit von britischen Patenten oder britischen Teilen von Europäischen Patenten verlängern, auf EU-Verordnungen. Das Austrittsabkommen sieht vor, EU-Verordnungen in nationales britisches Recht zu überführen.
Vertragsprüfungen
Auch wenn das Vereinigte Königreich seine derzeitige regionale Erschöpfungsregelung beibehalten wird, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die EU dies ebenso handhaben wird. Dies bedeutet, dass Parallelimporte aus dem Vereinigten Königreich in die EU wahrscheinlich eine Verletzung der EU-Marken darstellen.
EU-weite Verträge wie Lizenz-, Vertriebs- und Koexistenzvereinbarungen können daher Bestimmungen enthalten, die nach dem Brexit-Tag nicht mehr wirksam funktionieren; daher ist es ratsam, wichtige bestehende und neue Verträge auf ihre „Brexit-Sicherheit“ zu überprüfen (insbesondere in Bezug auf die Identifizierung von Schutzrechten und die Definition von Gebieten und Märkten sowie von Rechtsprechung und geltendem Recht). Im Falle eines „No Deal“-Brexits oder einer besonderen Folge eines „No Deal“-Brexits kann auch das Recht zur Kündigung oder Änderung des Vertrags in Betracht gezogen werden. Es sollten dann Schritte unternommen werden, um geeignete Änderungen mit der/den anderen Partei(en) zu vereinbaren.
Widerspruchs- und Nichtigkeitsverfahren (aufgrund relativer Eintragungshindernisse) vor der UKIPO und der EUIPO
Anhängige Widersprüche und Nichtigkeitsanträge (aufgrund relativer Eintragungshindernisse) vor dem UKIPO und der EUIPO sollten überprüft werden.
Angesichts der derzeitigen Unsicherheit sollten neue Widersprüche und Nichtigkeitsanträge beim UKIPO nach Möglichkeit auf britische Rechte gestützt werden. Neue EUI-PO-Widersprüche und Nichtigkeitsanträge sollten sich nicht (nur) auf britische Rechte stützen, sondern nach Möglichkeit auf Rechte in einem EU-27-Mitgliedstaat.
Verletzungsverfahren
Wenn ein Verstoß europaweit vorliegt, sollte die Einleitung getrennter Verfahren im Vereinigten Königreich und in einem EU-27-Mitgliedstaat erwogen werden. Die Reihenfolge der Einleitung eines solchen doppelten Verfahrens sollte berücksichtigt werden, da es erforderlich sein kann, das Verfahren auszusetzen.
Diese Seite verwendet Cookies zur Bereitstellung und Analyse unserer Dienste. Durch die weitere Nutzung der Website stimmen Sie dieser Verwendung zu. In unserer Datenschutzerklärung erfahren Sie mehr über die Nutzung Ihrer Daten und Ihre Rechte.