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März 2019

Brexit: Was ist zu beachten im Falle eines „No Deal“?

Der Zeitpunkt des „Brexit“ wurde erneut verschoben – es ist somit immer noch unklar, ob der Austritt Großbritanniens aus der EU in geregelten Bahnen verlaufen wird oder ein sogenannter „No Deal“-Brexit erfolgt.

Vor diesem Hintergrund haben wir für Sie eine Übersicht über die Folgen eines „No Deal“-Szenarios für Ihre EU-Schutzrechte zusammengestellt (Stand 12. April 2019).

Die wichtigsten Botschaften sind:

  • Verfügen Sie über eine zum Zeitpunkt des Brexit eingetragene EU-Marke oder ein Gemein­schafts­geschmacks­muster, entsteht automatisch ein entsprechendes, gleichwertiges britisches Recht – ohne Anmeldung und Amtsgebühren. Sie müssen also nichts unternehmen.
  • Wenn zum Zeitpunkt des Brexit EU-Marken oder Gemein­schafts­geschmacks­muster noch im Anmeldeverfahren sind, muss innerhalb von neun Monaten ein Antrag auf das gleichwertige britische Recht gestellt werden (dieses erhält aber den gleichen Anmeldetag wie die EU-Anmeldung).
  • Vom Europäischen Patentamt erteilte Patente sind keine EU-Schutzrechte. Der Brexit ändert also nichts an der Mitgliedschaft Großbritanniens in der Europäischen Patentorganisation. Es bleibt dabei, dass für britische Teile von erteilten Europäischen Patenten lediglich separat Jahresgebühren an das britische Intellectual Property Office (UKIPO) zu entrichten sind.

Weitere Details entnehmen Sie bitte dem folgenden Text.

Bei Rückfragen wenden Sie sich gerne an Ihren vertrauten Ansprechpartner bei Eisenführ Speiser.


Das Vereinigte Königreich soll die Europäische Union nun spätestens am 31. Oktober 2019 („Brexit-Tag“) verlassen (oder früher, wenn das Austrittsabkommen doch noch vom britischen Parlament ratifiziert wird). Auf der Ebene der Verhandlungsführer wurde ein Austrittsabkommen vereinbart, das noch der Ratifizierung auf politischer Ebene bedarf. Würde das Vereinigte Königreich die EU zu Bedingungen verlassen, die mit diesem Abkommen identisch oder im Wesentlichen ähnlich sind, dann würde in einer so genannten Übergangszeit, die am 31. Dezember 2020 endet, der derzeitige Status quo effektiv beibehalten. Das britische Parlament hat sich jedoch kürzlich mit deutlichem Abstand geweigert, dieses Abkommen in seiner jetzigen Form zu ratifizieren, und ohne alternative Regelungen bleibt die Gefahr bestehen, dass es zu einem „No Deal“-Brexit kommt.

Ein „No-Deal“-Brexit hat erhebliche Auswirkungen auf den weiteren Schutz und die Durchsetzung von EU-Marken und Gemein­schafts­geschmacks­mustern sowie von internationalen Marken und Designs, die EU-weit Schutz beanspruchen.

Im Folgenden erläutern wir unter I. die Pläne der britischen Regierung und unter II. die der EU-Kommission bei einem „No Deal“. Unter III. folgen unsere detaillierten Empfehlungen zum Umgang mit einem solchen Szenario insbesondere in Bezug auf Marken- und Designrechte.

I. Entwurf eines Austrittsabkommens

Die britische Regierung hat nun einen Entwurf eines Abkommens über die Einzelheiten des Austritts aus der Europäischen Union nach Art. 50 TEUV veröffentlicht („Austrittsabkommen“). Das Austrittsabkommen regelt eine Übergangsfrist, die am 31. Dezember 2020 endet („Übergangsfrist“).

Während der Übergangsfrist gilt – nach den Vorschlägen der britischen Regierung – folgendes:

  • Die Übergangsfrist gilt ab dem Datum des Brexit bis zum 31. Dezember 2020
  • Innerhalb der Übergangsfrist gilt das EU-Recht prinzipiell weiter

Demgegenüber entfällt in einem „No Deal“-Szenario die Fortgeltung des EU-Rechts.

Die Regelungen des Austrittsabkommens sehen Folgendes vor:

1. „Registrierte EU-Rechte“:

  • Unionsmarken, Gemein­schafts­geschmacks­muster, die vor dem Ende der Übergangsfrist registriert oder geschützt sind, werden in der Folge so behandelt (und durchsetzbar), als wären sie im Vereinigten Königreich registriert (Art. 54 Austrittsabkommen). Gleiches gilt für Internationale Registrierte Marken, soweit diese auf die Europäische Union erstreckt sind (Art. 56).
  • Das geschieht automatisch, es ist kein Antrag erforderlich und es fallen keine Gebühren an (Art. 55).
  • Das Recht entsteht also im Zeitpunkt des Austritts, auch wenn es eine Zeit dauern kann, bis ein entsprechender Registereintrag im britischen Register vom dortigen Amt vorgenommen wurde.
  • Diese entsprechenden eingetragenen britischen Rechte werden jeweils als „neu eingetragene Marken“ und „neu eingetragene Designs“ („entsprechende eingetragene britische Rechte“) bezeichnet.
  • Wird das zugrundeliegende EU-Recht innerhalb der Übergangsfrist vernichtet oder einseitig zurückgenommen, erlischt auch das entsprechend eingetragene britische Recht.

2. Opt-out-Option: Inhaber registrierter EU-Rechte können sich nach Ankündigung eines „Opt-out“ aber dafür entscheiden, auf das entsprechende eingetragene britische Recht zu verzichten.

3. Anhängige Anmeldungen: Wenn am Brexit-Tag eine Anmeldung für eine EU-Marke, eine internationale Marke (EU), ein Gemein­schafts­geschmacks­muster oder ein internationales Design (EU) anhängig ist (oder die Veröffentlichung eines Gemein­schafts­geschmacks­musters aufgeschoben wird), wird diese nicht in eine entsprechende britische Anmeldung umgewandelt; der Anmelder kann jedoch innerhalb von neun Monaten nach dem Brexit-Tag die Eintragung derselben Marke (für einige oder alle gleichen Waren oder Dienstleistungen) oder eines Designs beantragen, wobei die Priorität der entsprechenden Anmeldung für ein EU-Recht gewahrt bleibt.

4. Verlängerungen, Priorität und Zeitrang: Entsprechende eingetragene britische Rechte werden so behandelt, dass sie die gleichen Verlängerungsdaten und Prioritäten (und bei Marken Senioritäten) haben wie die eingetragenen EU-Rechte, aus denen sie sich ableiten.

5. Nicht eingetragene Gemein­schafts­geschmacks­muster, die am Brexit-Tag bestehen, sind im Vereinigten Königreich für den Rest ihrer Laufzeit weiterhin geschützt und durchsetzbar und werden als „weitere nicht eingetragene Gemein­schafts­geschmacks­muster“ bezeichnet.

6. Vertretung: Bestehende Vertreter registrierter EU-Rechte werden in der Lage sein, ihre Tätigkeit als Vertreter für entsprechende registrierte britische Rechte vor dem UKIPO fortzusetzen.

7. Eine Lizenz eines eingetragenen EU-Rechts für das Gebiet des Vereinigten Königreichs gilt in Bezug auf das entsprechende registrierte britische Recht zu den gleichen Bedingungen, jedoch vorbehaltlich der für ihre Anwendung im Vereinigten Königreich erforderlichen Änderungen.

8. Die Nutzung der betreffenden Marke in der EU vor dem Brexit-Tag gilt als Benutzung der vergleichbaren Marke für Zwecke des Widerspruchs, der Verletzung, des Verfalls und des Nichtigkeitsverfahrens des Vereinigten Königreichs, das diese Marke betrifft.

9. Die Bekanntheit der betreffenden Marke in der EU vor dem Brexit-Tag wird gegebenenfalls bei Einspruchs- und Verletzungsklagen im Vereinigten Königreich auf der Grundlage einer vergleichbaren Marke berücksichtigt.

10. Anhängige Verfahren: Wenn am Brexit-Tag ein eingetragenes EU-Recht oder ein nicht eingetragenes Gemein­schafts­geschmacks­muster Gegenstand von Verfahren ist, die vor einem britischen Gericht anhängig sind, das als EU-Markengericht oder Gemein­schafts­geschmacks­muster­gericht tätig ist, kann das Gericht

  • a. im Falle einer Klage wegen Verletzung des eingetragenen EU-Rechts oder des nicht eingetragenen Gemein­schafts­geschmacks­musters eine einstweilige Verfügung erlassen, um die unbefugte Nutzung des entsprechenden eingetragenen britischen Rechts zu untersagen oder das nicht eingetragene Gemein­schafts­geschmacks­muster fortzusetzen; und
  • b. im Falle einer Widerklage auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit in Bezug auf das eingetragene EU-Recht die Eintragung des entsprechenden eingetragenen britischen Rechts widerrufen oder seine Eintragung für ungültig erklären.

II. No Deal – Der Standpunkt der EU

Die derzeit relevanteste EU-Mitteilung über die Auswirkungen des Brexit auf geistige Eigentumsrechte – ohne Vereinbarung eines Austrittsabkommens („No Deal“) – ist ein Briefing des EU-Intellectual Property Office (EUIPO) vom 18. Januar 2018 mit dem Titel „Impact of the United Kingdom’s withdrawal from the European Union on the European Union trade mark and the Community design“. Die wichtigsten Punkte, die dabei zu beachten sind:

  • 1. Die britischen Gerichte sind nicht mehr befugt, als EU-Markengerichte (oder Gemein­schafts­geschmacks­muster­gerichte) zu fungieren und EU-weite Verfügungen in Bezug auf EU-Marken (und Gemein­schafts­geschmacks­muster) zu erlassen.
  • 2. Die Benutzung einer EU-Marke in Großbritannien vor dem Brexit-Tag stellt weiterhin eine Benutzung der EU-Marke dar (die Benutzung in Großbritannien nach dem Brexit-Tag jedoch nicht).
  • 3. Rechte des Vereinigten Königreichs: Nach dem Brexit-Tag können die Rechte des Vereinigten Königreichs nicht mehr als Grundlage für den Widerspruch oder die Nichtigerklärung einer EU-Marke verwendet werden, und alle Widerspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren, die am Brexit-Tag vor dem EUIPO anhängig sind und nur auf britischen Rechten beruhen, werden abgelehnt.

III. Welche Maßnahmen sollten ergriffen werden, wenn man von einem „No Deal“ Brexit ausgeht?

Unter der Annahme, dass die britischen Verordnungsentwürfe bis zum Brexit-Tag in Kraft treten werden, sollte Folgendes berücksichtigt werden:

Eingetragene Marken und Designs

  • Inhaber eingetragener EU-Rechte und nicht eingetragener Gemein­schafts­geschmacks­muster müssen keine weiteren Maßnahmen ergreifen. Diese Rechte werden im Vereinigten Königreich weiterhin automatisch geschützt und durchsetzbar sein.
  • Bei Benutzung der Marke entweder nur im Vereinigten Königreich oder in den EU-27-Mitgliedstaaten sollte eine erweiterte territoriale Nutzung in Betracht gezogen werden, um Angriffen gegen die Marke wegen Nichtbenutzung zu entgehen.
  • Alle registrierten EU-Rechte, die vor dem Brexit-Tag (oder, wenn sie überfällig sind, innerhalb der sechsmonatigen Nachfrist) verlängert werden müssen, sollten vor dem Brexit-Tag erneuert werden, um den weiteren Schutz im Vereinigten Königreich zu gewährleisten (obwohl die Verordnungsentwürfe eine späte Verlängerung und Wiederherstellung vorsehen).
  • Wenn das Verlängerungsdatum nach dem Brexit-Tag liegt, muss das entsprechende registrierte britische Recht separat verlängert werden.
  • Wenn das Bestehen eines entsprechenden registrierten britischen Rechts Verpflichtungen oder eine Vereinbarung verletzen würde, sollte darauf geachtet werden, dass so schnell wie möglich nach dem Brexit-Tag eine „Opt-out“-Meldung erfolgt.

Abtretungen, Lizenzen und Sicherungsrechte

Es sollte eine Überprüfung aller Abtretungen, Lizenzen und Sicherungsrechte durchgeführt werden, die an registrierten EU-Rechten bestehen oder sich auf diese beziehen, um diese vor dem Brexit-Tag auf entsprechenden registrierten britischen Rechte auszudehnen.

Anmeldungen

Im Falle von anhängigen Anmeldungen zur Eintragung von Marken oder Geschmacksmustern am Brexit-Tag gibt es ein neunmonatiges Fenster nach dem Brexit-Tag, um entsprechende Prioritätsanmeldungen im Vereinigten Königreich einzureichen. Nur wenn der Erhalt eines eingetragenen Schutzes im Vereinigten Königreich besonders eilig ist, sollte die Einreichung einer parallelen Anmeldung im Vereinigten Königreich schon vor dem Brexit-Tag geprüft werden.

Patente und Ergänzende Schutzzertifikate für Arzneimittel und Pflanzenschutzmittel

Vom Europäischen Patentamt erteilte Patente sind keine EU-Schutzrechte. Der Brexit berührt also die Mitgliedschaft Großbritanniens in der Europäischen Patentorganisation nicht, und zwar unabhängig davon, ob es zur Vereinbarung eines Austrittsabkommens kommt. Es reicht also für britische Teile von erteilten Europäischen Patenten weiterhin aus, separat Jahresgebühren an das UKIPO zu entrichten. Demgegenüber basiert die Erteilung von Ergänzenden Schutzzertifikaten für Arzneimittel und Pflanzenschutzmittel, welche die Patentlaufzeit von britischen Patenten oder britischen Teilen von Europäischen Patenten verlängern, auf EU-Verordnungen. Das Austrittsabkommen sieht vor, EU-Verordnungen in nationales britisches Recht zu überführen.

Vertragsprüfungen

Auch wenn das Vereinigte Königreich seine derzeitige regionale Erschöpfungsregelung beibehalten wird, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die EU dies ebenso handhaben wird. Dies bedeutet, dass Parallelimporte aus dem Vereinigten Königreich in die EU wahrscheinlich eine Verletzung der EU-Marken darstellen.

EU-weite Verträge wie Lizenz-, Vertriebs- und Koexistenzvereinbarungen können daher Bestimmungen enthalten, die nach dem Brexit-Tag nicht mehr wirksam funktionieren; daher ist es ratsam, wichtige bestehende und neue Verträge auf ihre „Brexit-Sicherheit“ zu überprüfen (insbesondere in Bezug auf die Identifizierung von Schutzrechten und die Definition von Gebieten und Märkten sowie von Rechtsprechung und geltendem Recht). Im Falle eines „No Deal“-Brexits oder einer besonderen Folge eines „No Deal“-Brexits kann auch das Recht zur Kündigung oder Änderung des Vertrags in Betracht gezogen werden. Es sollten dann Schritte unternommen werden, um geeignete Änderungen mit der/den anderen Partei(en) zu vereinbaren.

Widerspruchs- und Nichtigkeitsverfahren (aufgrund relativer Eintragungshindernisse) vor der UKIPO und der EUIPO

Anhängige Widersprüche und Nichtigkeitsanträge (aufgrund relativer Eintragungshindernisse) vor dem UKIPO und der EUIPO sollten überprüft werden.

Angesichts der derzeitigen Unsicherheit sollten neue Widersprüche und Nichtigkeitsanträge beim UKIPO nach Möglichkeit auf britische Rechte gestützt werden. Neue EUI-PO-Widersprüche und Nichtigkeitsanträge sollten sich nicht (nur) auf britische Rechte stützen, sondern nach Möglichkeit auf Rechte in einem EU-27-Mitgliedstaat.

Verletzungsverfahren

Wenn ein Verstoß europaweit vorliegt, sollte die Einleitung getrennter Verfahren im Vereinigten Königreich und in einem EU-27-Mitgliedstaat erwogen werden. Die Reihenfolge der Einleitung eines solchen doppelten Verfahrens sollte berücksichtigt werden, da es erforderlich sein kann, das Verfahren auszusetzen.

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